Der Studentensturm auf die Grenzen

Wir schreiben das Jahr 1950.

Unter den zahlreichen Aktivitäten der Jugend, besonders der Studenten, sticht die gut geplante Aktion von 300 jungen Menschen hervor. Am 6. August 1950 demonstrierten sie an der deutsch-französischen Grenze bei Wissembourg/Weiler und St. Germanshof und rissen dort die Schlagbäume der Zollhäuser ein. Es versammelten sich Männer und Frauen, Studenten, Professoren, Politiker und Journalisten aus 9 verschiedensten europäischen Ländern, die alle an die Idee eines vereinten Europas glaubten. „Offene“ Grenzen mittels einer europäischen „Kennkarte“ und ein föderales Europa waren wesentliche Forderungen der damals verfassten und verlesenen Erklärung.

  • Studentensturm - die Vorbereitungen
    Teilnehmer (Matthias Heister, kniend) versammeln sich im Zeltlager
    Die Vorbereitungen
  • Studentensturm - die Vorbereitungen
    M. Mille führt die Teilnehmer der deutschen Seite in die Aktion ein
    Die Vorbereitungen
  • Studentensturm - die Vorbereitungen
    Mille erläutert das Vorgehen an der Deutsch-Französischen-Grenze
    Die Vorbereitungen
  • Studentensturm - die Vorbereitungen
    Teilnehmer proben ihre Aufstellung und das Verlesen der Proklamation
    Die Vorbereitungen
  • Studentensturm - Der 6.8.1950
    Demonstranten und Journalisten warten auf der deutschen Seite
    Der 6.8.1950
  • Studentensturm - Der 6.8.1950
    Der deutsche Schlagbaum wird gewaltsam aufgerichtet
    Der 6.8.1950
  • Studentensturm - Der 6.8.1950
    Demonstranten versuchen den deutschen Schlagbaum zu demontieren
    Der 6.8.1950
  • Studentensturm - Der 6.8.1950
    Die Teilnehmer von der französischen Seite rücken an
    Der 6.8.1950
  • Studentensturm - Der 6.8.1950
    Gemeinsam biegen sie den deutschen Schlagbaum um
    Der 6.8.1950
  • Studentensturm - Die 10 Forderungen
    Der Schlagbaum ist besiegt. Sie versammeln sich auf der nahen Wiese
    Die 10 Forderungen
  • Studentensturm - Die 10 Forderungen
    Der hölzerne Schlagbaum wird symbolisch verbrannt
    Die 10 Forderungen
  • Studentensturm - Die 10 Forderungen
    Die Proklamation wird feierlich am Feuer verlesen
    Die 10 Forderungen
  • Studentensturm -Sternfahrt nach Straßburg
    Die Teilnehmer treffen an der Zollstation Hirschthal ein
    Sternfahrt nach Straßburg
  • Studentensturm -Sternfahrt nach Straßburg
    Sie überqueren die Grenze mit einer symbolischen "Europa-Kennkarte"
    Sternfahrt nach Straßburg
  • Studentensturm -Sternfahrt nach Straßburg
    Demonstranten schwingen grüne Europafahnen
    Sternfahrt nach Straßburg
  • Studentensturm -Sternfahrt nach Straßburg
    Mouskhély erwartet die Teilnehmer auf französischer Seite
    Sternfahrt nach Straßburg
  • Studentensturm -Sternfahrt nach Straßburg
    Über 3.000 junge Menschen demonstrieren am Europahaus
    Sternfahrt nach Straßburg
    • Die Vorbereitungen

      Zu den Persönlichkeiten, die für ein föderales Europa besonders engagiert waren, gehörten zwei Männer, die nach dem ersten Weltkrieg aus Georgien nach "Europa" geflohen waren und dort wissenschaftlich Karriere gemacht hatten: Alexandre Marc und Michel Mouskhély. Europa sahen sie daher mit ihrem eigenen Weitblick - es war das Europa der Zukunft und der Jugend. Sie wollten mehr Aktion, ernsthafte Auseinandersetzungen und sich aktiv für die Einigung Europas einsetzen. Um dies zu erreichen, gründete Mouskhély die Organisation "Union Fédéraliste Interuniversitaire (UFI)". Gemeinsam mit Marcel Mille, dem Sprachlehrer aus Paris, arbeitete Mouskhély an der Realisierung der öffentlichkeitswirksamen Aktion.

      Eine besondere Herausforderung war die Vorbereitung der Öffentlichkeitsarbeit. Hierzu konnte Mille seine Kontakte nutzen und Reporter von Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunkanstalten auf die vorgesehene Grenzaktion aufmerksam machen. Um eine große Anzahl junger Akteure zu gewinnen gab es u.a. Unterstützung von der Organisation "Jeunesse Fédéraliste Européenne" und dem Bund Europäischer Jugend, welche zu der Aktion am St. Germanshof aufriefen.

      Nachdem das Aktionsziel klar, der Termin festgelegt und die Akteure europaweit angesprochen waren, konnte mit den konkreten Vorbereitungen begonnen werden. Dazu wurde in Zeltlagern auf deutscher und französischer Seite geprobt - denn eine überraschende Demonstration mit Jugendlichen aus verschiedenen Ländern konnte nicht ohne Training gelingen. Die Teilnehmer besprachen ihr Vorgehen, verteilten einzelne Aufgaben und probten, wie sie mit den Zollbeamten und zu erwarteten Protesten umgehen würden.

    • Der 6.8.1950

      Am 6. August 1950, einem Sonntag mit bestem Sommerwetter, machten sich die Studenten auf den Weg an die Grenze. Als Tarnung fuhren sie mit mehreren Reisebussen an verschiedenen Stellen über den Rhein zu einem Waldstück nahe der Grenze am St. Germanshof. Marcel Mille stand mit seiner Gruppe auf der deutschen Seite bereit - Michel Mouskhély auf französischer Seite. Der französische Zöllner René Reiffel bemerkte zunächst eine junge Frau, die - als Ablenkungsmanöver eine Ohnmacht vortäuschend - auf ihn zutorkelte. Besorgt kümmerte er sich um die 23-jährige Studentin Jeanette Lüthi aus Bern, während nach und nach weitere Jugendliche ans Zollhaus kamen. Die Zöllner auf deutscher Seite wunderten sich über das große Interesse der "Wanderer" und bemerkten die mitgebrachten Utensilien zur Demontage des Schlagbaums zunächst nicht.

      Die Freunde aus Frankreich waren schneller auf der deutschen Seite, da der hölzerne Schlagbaum dort leicht zu bewältigen war. Die deutschen Studenten hatten unerwartet einen eisernen Schlagbaum vor sich, der kurz zuvor neu installiert wurde. Die Lösung kam von französischer Seite, als die Demonstranten mit weiteren Grenzutensilien zu Hilfe kamen. Gemeinsam stürmten sie auf den Schlagbaum zu und konnten ihn schließlich ansägen bis er brach. "Vive l'Europe" schrien die Demonstranten und fielen sich in die Arme.

      Der gewählte Tag hatte große Symbolkraft. Es war der 80. Jahrestag der Schlacht bei Wörth / Reichshoffen, die am 6.8.1870 fast 25.000 Franzosen und Deutschen das Leben kostete. Und am nächsten Tag fand in Straßburg die zweite Sitzung des Europarates statt.

    Die 10 Forderungen
    Proklamation "Europa ist Gegenwart"
    Hier ist Europa Studentensturm

    Die komplette Geschichte als PDF